Beobachtungsnacht vom 13.3.03

Instrumentarium: - 8" MEADE Starfinder EQ (f=1220mm)
                                 
Beobachtungsort:
Land Brandenburg. - 50m über Meereshöhe

Bedingungen: Erstklassiger Himmel - zu besten Zeiten Grenzgröße >6m5! Recht zügiger Nordwind von 4-5 Bft. sowie -3°C. Mittelmäßiges Seeing.


Beobachtung:

Zeit: 03.30 Uhr - 5.30 Uhr

Gegen 3 Uhr gaben die abziehenden Wolken den Mond frei. Rückseitenwetter mit perfekter Transparenz!! Dazu noch etwa 1 mondfreie Stunde mit voller astronomischer Dunkelheit. Da war klar, was kommen musste. :-) Gut, das man als passionierter Hobbyastronom sowieso einen derart verkorksten Lebensrhythmus hat, und eher in der Dunkelheit wach ist, als am Tage. ;-) Dazu noch ein paar Tage Semesterferien - also habe ich trotz der späten Stunden meine Ausrüstung in Auto verladen, und stand nach gut einer halben Stunde auf dem Feld. Der Mond leuchtete noch kräftig von Nordosten, während sich am Himmel bereits der Frühsommer präsentierte - Corvus senkte sich gegen Südwest, während der Skoprion langsam über den Horizont trat. Ich liess es mir nicht nehmen und stellte zum Beginn M4 ein, und der war trotz Mond tatsächlich schon bei 50x aufgelöst! Irgendwo in der Nähe zogen wohl ein paar Rehe über das Feld. Ansonsten war alles still - ich steckte mir meine Okulare in die Jackentasche und zückte die heutige "Speisekarte" - auf der stand groß:

Galaxien im nördlichen Coma-Haufen

Der Mond verschwand dann langsam hinter den fernen Bäumen, und der Coma-Sternhaufen wurde nun leicht direkt für das bloße Auge sichtbar. Er zeigt, wie ich finde immer eine ausgeprägte Lambda-Form. Vom nördlichsten hellen Stern des Haufens - dem gelblich funkelnden Gamma Comae Berenices begann die Jagd. Und gleich hatte ich auch wieder ein neues Objekt für die H400-Liste

NGC 4448 (Gx) (Com) 11,1mag

Mit 50x leicht direkt als helle elongierter Nebel zu sehen, und das trotz des vom untergehenden Mond noch aufgehellten Himmel. Die Differenzierung in ein helles Zentralgebiet, einen ovalen, langsam zu den Seiten hin auslaufenden Halos, und eines hellen Kerns, wird bei 98x deutlich.

NGC 4375 (Gx) (Com) 12,8mag

Mittelkleiner runder Nebel nahe eines deutlichen 13mag-Sternes mit indirektem Sehen schwach, aber eindeutig sichtbar. Mit indirektem Sehen leuchten kurzzeitig weitere sehr schwächere Sterne um den Nebel herum, die ihn fast wie einen schwachen Gc erscheinen lassen.

NGC 4295 (Gx) (Com) 13,6mag

Sehr schwacher kleiner Nebelfleck nur mit indirektem Sehen für einige Momente erfassbar. Ich meinte auch eine schwache zentrale Aufhellung in der Mitte zu erkennen - aber wirklich knackiges Objekt bei 98x.

*Dann ein weiteres H400-Objekt....*

NGC 4251 (Gx) (Com) 10,7mag

Sehr hell bei 50x sichtbar, aber erscheint fast wie ein heller Stern mit winzigem Nebelhof. Kaum besser bei 98x - die Elongation deutet sich zaghaft an. Südlich des Zentrums, habe ich eine helle Stelle vermutet.

*Während ich bei NGC 4211A/B keine Chance habe, entpuppt sich Herschels H II 375 als merkwürdig*

NGC 4209 (Stern) (Com) ?

Im NGC-IC-Projekt wird es für wahrscheinlich gehalten, das dieses Objekt nur die Beobachtung eines Sternes ist. Bei 98x habe ich 2 helle Sterne im Visier - bei 190x findet sich dann an der Position des NGC-Eintrages ein drittes, schwächeres Sternchen, welches mit den beiden hellen ein Dreieck bildet. Auf den ersten Blick erscheint der Stern wirklich nebelhaft, aber bei genauerem hinsehen, verbleibt nichts als der Stern.

NGC 4185 (Gx) (Com) 12,1mag

Ziemlich schwache, etwas größere Nebelwolke - fast ohne zentrale Aufhellung. Bei 98x ist dieses Objekt mit geringer Flächenhelligkeit am besten indirekt bei leichter Tubusbewegung zu erkennen.

NGC 4196 (Gx) (Com) 12,8mag

Unglaublich hell für 12,8mag! Daher habe ich sie erst für einen Stern gehalten, und als nicht gesehen vermerkt. Da im direkten Umfeld laut DSS keine hellen Sterne sind, muss es die Galaxie gewesen sein. Wirkt bei 98x fast stellar, und ist ab und an sogar direkt sichtbar! 

*Nach dieser kleinen, durchaus abwechselungsreichen Tour durch die fernen Welten der Coma-Galaxien, wartete noch ein besonderer Leckerbissen darauf, entdeckt zu werden. Aber ich musste mich beeilen - denn schon in einer halben Stunde sollte die Dämmerung anbrechen.*

Die NGC 4169-Galaxiengruppe

Diese kleine, aber bemerkenswerte Galaxiengruppe ist auch als Hickson 61, oder wegen ihrer bemerkenswerten Form als "The Box" bekannt. Die Gruppe befindet sich in etwa 170 Millionen Lj Entfernung, und besteht aus den 4 NGC-Galaxien NGC 4169, NGC 4173, NGC 4174 und NGC 4275. Es wird jedoch angenommen, dass NGC 4173 wegen ihrer abweichenden Fluchtgeschwindigkeit ein Vordergrundobjekt ist. Alle 4 Galaxien wurden bereits im 18. Jahrhundert von W. Herschel gefunden. Interessant sind auch die beiden NGC-Einträge NGC 4170 und NGC 4171, die von d'Arrest eingefügt wurden. Wie man beim NGC-IC-Projekt nachlesen kann, beobachtete d'Arrest wohl in einer Nacht mit sehr schlechtem Seeing, denn hinter den Objekten verbergen sich nur schwache Sterne, die ihm wahrscheinlich nebelhaft erschienen. Die Gruppe ist kein leichtes Objekt für einen 8"er, aber in halbstündiger Beobachtung habe ich sie doch geknackt. Bei 50x war fast nichts zu erkennen, besser war der Anblick bei 98x.

"The Box" Zeichnung am 8" - Norden ist links, Westen oben

 

NGC 4169 (Gx) (Com) 12,2mag

Hellstes und deutlichstes Mitglied der Gruppe - bei 98x sofort relativ leicht zu erkennen. Mit indirekter Sicht ständig sichtbar - bei 190x auch direkt sichtbar. Ovaler, recht kleiner Nebel mit hellem Zentrum und punktförmigem Kern.

NGC 4175 (Gx) (Com) 13,2mag

Zweithellste Galaxie in der Gruppe. Bei 98x nur phasenweise mit indirektem Sehen zu erkennen. Wirkt etwas länglicher, als NGC 4169, wobei bei genauer Betrachtung ein heller Kern der Galaxie sichtbar wird. Bei 190x ständig per indirekter Sicht erfassbar.

NGC 4174 (Gx) (Com) 13,3mag

Dritthellstes Mitglied der Gruppe. Schwierig und sehr schwach! Ist nur bei indirektem Sehen erkennbar, wenn man den optimalen Blickwinkel trifft. Eine genaue Form ist bei 98x nicht erkennbar. Leicht aufgehelltes Zentrum. Bei 190x schon wieder zu schwach und nicht sichtbar.

NGC 4173 (Gx) (Com) 13,0mag

Schwächste Galaxie. Extrem schwierig!! Nur unter allergrößter Anstrengung und mit indirektem Sehen, leuchtet einige Male ein extrem schwierig wahrnehmbarer Lichthauch auf, der sofort verschwindet, wenn man auch nur den Blickwinkel ändert. Die Helligkeitsverteilung vermutete ich unregelmäßig mit einem "helleren Südteil".

NGC 4171 (Stern) (Com) 14,0mag

Östlich von NGC 4173 sind bei hoher Vergrößerung nur 2 schwache Sterne erfassbar - der hellere, etwa 13-14mag helle, ist eines der von d'Arrest entdeckten "Nebel". Wirkt überhaupt nicht nebelhaft.

...dann kündigte sich die Dämmerung mit einem blau-grünen Leuchten am Osthorizont an, während die Galaxiengruppe nun langsam im Hintergrund versank.....

Morning has broken...

Jetzt erst hatte ich Ruhe, den Himmel zu geniessen.... die Sommermilchstraße zeichnete sich im tiefblauen Dämmerungshimmel ab, und die hellsten Milchstraßenwolken im Schwan die Schildwolke sowie die hellen Nebelflecken im Sagittarius tief im Südosten, waren in einmaligem Kontrast zum schimmernden Horizont zu erkennen. Im Süden stand stolz der Skorpion, der seine Scheren über den Horizont reckte, während Großer Bär und Löwe langsam zum Nordwesthorizont abtauchten.

Ich hatte Lust, all die Kleinode der Sommermonate zu begrüßen. Da waren die Lagune, der Trifid und M21..... Ich probierte in der hellen Dämmerung M6 im Skorpion, der gerade Mal 3° überm Horizont stand, und konnte bei 98x, den Anblick von 40 Sternen geniessen - unglaublich schön! Selbst M7, der direkt auf dem Horizont stand, zeigte 3 Sterne - was für ein Himmel. 

Langsam verschwanden immer mehr Sterne in den Farben der Dämmerung - aber für einige Doppelsterne war noch Zeit. Beta Scorpii und Mizar waren schon bei 50x getrennt, Gamma Leonis verlangte schon etwas mehr, zeigte dann aber einen schönen Farbkontrast. Spannend war Xi Ursae Majoris, der seine nur 1,8" auseinander stehenden Sterne, erst bei 190x zeigte. Der Helligkeitskontrast war nur schwach wahrnehmbar - die Sterne deutlich auseinander "gerissen". Den PW schätzte ich auf fast genau 270°! Der wird sich in den kommenden Jahren rasant ändern! Auch für Mars war noch Zeit, der aber aufgrund des mittelmäßigen Seeings tief am Horizont keine Details preisgab.

Die Scheiben meines Autos waren schon wieder mit Eisblumen verziert, und während ich langsam die Ausrüstung verstaute, läutete der Venusaufgang den Tagesanbruch ein. Langsam wechselten die Dämmerungsfarben von blaugrün über gelb bis ins tiefrot. Davor die tiefschwarzen Silhouetten der fernen Windräder und des nahen Waldes. Eine einmalige Atmosphäre, die man einfach nicht beschreiben kann - das muss man erlebt haben. Es ist ein herrliches Gefühl, wenn der Tag anbricht. Ich lehnte noch etwas an der Tür, bevor ich überglücklich aufbrach. Das war eine Nacht!

Clear Skies
Matthias


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